Ja mich würde das interessieren, habe davon noch nie etwas gehört! Vor allem warum so etwas gemacht werden muss, würde ich auch noch gerne wissen.
Würde mich auch mal sehr interessieren, Rene!
Also. Zu dem Thema muss man etwas ausholen.
Grundlegend ist jedem bewusst was Wechseltrom (1 oder 3-phasig ist egal) ist und wie wichtig es ist, dass das System in Europa mit nahezu 50 Hz (Die Amis haben 60 Hz dafür eine andere Spannung.) läuft?
Wenn nicht, muss ich das danach nochmal kurz umreißen.
Es gibt auf jeden Fall Aufschluss, warum wir zur schnellen Energieerzeugung um Spitzen abzupuffern nicht rein auf Batterie-Kraftwerke setzen KÖNNEN.
Die Idee ist nämlich eigentlich ganz praktisch. Die Idee.
Die Angesprochenen Fehlerströme sind neben der 50 Hz Thematik das Hauptproblem, warum wir große Massen im System brauchen.
Wir fangen mal klein an.
Beispiel: Zu Hause.
Modernes Haus, moderne Leitungsschutzschalter (LS) und RCD (früher FI) in der Verteilung.
Wir haben einen Erdfehler. Irgendwo kommt der Außenleiter (L) auf "Erde" (PE), der RCD registriert das und schaltet innerhalb von 30 ms das System ab.
Da zuckt das Stromsystem nur kurz. Macht aber keine Probleme.
Anderes Szenario, selbe Ausgangsbasis.
Wir haben einen Fehler zwischen den Außenleiter (oder gegen Neutralleiter (N)).
So einen Fehler merkt der RCD nicht. Der "prüft" ja nur, ob über die Außenleiter und N die gleiche Summe (daher heißt das Ding der Stromwandler im RCS auch Summenstromwandler) vorhanden ist. Einfach gesagt, fließt so viel Strom rein, wie rausfließt.
Das heißt hier kommt jetzt der LS zum tragen. Der braucht aber, um magnetisch (Schnellauslösung) auszulösen ein vielfaches des Nennstroms. siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Leitungsschutzschalter#Auslösecharakteristik
Jetzt kann man natürlich sagen, ja warum baut man den nicht so, dass der kurz über Nennstrom auslöst. Das geht eben nicht, weil Verbraucher gewisse Stromspitzen beim Einschalten haben.
Um dann nicht jedes mal den LS zu werfen hat man halt gewisse Ausschaltschwellen.
Jetzt aber die Frage, was hat das mit dem Netz und den Massen zu tun.
Dazu muss man verstehen, was passiert bei so einem Fehler.
Das ganze ist nicht trivial, wie sich das anhört, dass ist das was sogar einen
@Ora an seine Grenzen bringt.
Durch die magnetischen Zusammenhänge bricht die Spannung ein, der Strom geht exponentiell hoch und die Frequenz dreht auch durch.
Man kann sich das so vorstellen, ein drehender Generator ist ein riesiges magnetisches System, was durch einen Fehler abgebremst wird.
Hat man jetzt Generatoren, die "zu leicht" sind oder nicht für kurzzeitige Überströme ausgelegt müssen sie vom Netz getrennt werden.
Windkraftanlagen zum Beispiel können das nicht, die werden bei Netzfehlern vom Netz getrennt. Solaranlagen ebenso, wo bei die noch das Problem haben, dass sie den Sinus versauen (das ist ja getaktete Gleichspannung, auch nochmal nen eigenes Thema) und die Frequenz beeinflussen.
Jetzt hat so ein Fehler in einer Hausverteilung natürlich auch nicht den Einfluss auf unsere riesiges europäisches Netz. Wobei ein normaler B16 A LS auch erst beim 3-5 fachen (5-fach = 80 Ampere) in Kurzzeit auslöst.
Da muss also in unter einer Sekunde das 5-fache aus dem Netz geholt werden. Wenn man das ein wenig weiter spinnt. Ein LS muss in Deutschland
mindestens 6.000 A abschalten können!
Kurze Anmerkung dazu: Oben vergessen. Der Strom steigt im Fehlerfall (Reibungsverluste ausgeblendet) theoretisch ohne Verzögerung ins Unendliche.
Jetzt zum Netz, wo das ganze richtig interessant wird. Dann versuche ich jetzt auch den Kreis mal zu schließen, sonst wird es echt zu viel.
Netzfehler. Gehen wir gleich auf die Ortsnetze. Also 20 - 30 kV Spannung. Da sind die magnetischen Einflüsse nochmal ein vielfaches Stärker.
(Ich mache das jetzt auch nur ganz kurz, weil das sonst niemand mehr versteht.)
Da man ja nicht bei jedem kleinen Fehler gleich Orts und Stadtteile dunkel machen will und kann (bei einem Kurzschluss zwischen Außenleitern wird sofort abgeschaltet) muss man da sich was einfallen lassen.
Der häufigste Fehler ist ein Erdschluss. Das kann ein Baum, ein Bagger oder Sonstiges sein.
Da man wie gesagt nicht gleich dunkel schalten kann lässt man den Erdfehler "stehen". Das heißt, das Netz speist den Fehler. Deswegen, wenn man mit nem Bagger mal an eine Leitung NIEMALS! aussteigen.
Um den Fehler aber zu speisen brauche ich große Generatoren, die sich nicht so einfach abbremsen lassen. Das hört sich jetzt auf den ersten Blick komisch an, warum man den Fehler stehen lässt und speisen muss.
Aber das hat den Hintergrund, dass man eben sonst immer dunkel macht (man denke an Krankenhäuser), aber auch, dass man den Fehler nicht finden kann, wenn man sofort abschaltet. Es kann also sein, dass nen Netz mit nem Erdfehler eine ganze Weile (Tage, Wochen) weiter betrieben wird.
Die meisten Netze können das so lange bis ein zweiter Fehler auftritt.
Aber zurück zum Einfluss auf die Generatoren. Die Spannung bricht ein, der Strom geht hoch. Bei einem Netz mit mehreren 1.000 A kann man sich vielleicht in etwa vorstellen in was für Dimensionen das am Ende geht.
Ich schreibe das auch extra alles vereinfacht. Damit man hoffentlich mit kommt.
Da unser Netz aber mittlerweile von so viel Solaranlagen gespeist wird und der Sinus immer zerhackter wird, wir aber gleichzeitig Großkraftwerke abstellt muss man eben irgendwie anders Masse ins Netz bringen.
Daher geht man jetzt hin und setzt "rotierende Phasenschieber" ein. Da hat man den Vorteil, dass man die Blindleistung (auch wieder ein Abend füllendes Thema) im Netz kompensieren kann und gleichzeitig Trägheit ins Netz bringt.
siehe:
https://new.siemens.com/global/de/produkte/energie/hochspannung/facts/portfolio/phasenschieber.html
Man versteht hoffentlich, warum sich mir die Fußnägel hochrollen, wenn jemand meint "ja dann machen wir doch einfach hier nen bisschen mehr Wind oder Solar oder vielleicht auch Akkus ins Netz".
Das System ist alleine physikalisch so komplex (wer studiert hat und mal ne E-Technik Vorlesung hatte erinnert sich vielleicht
), dass ich keinem Politiker (ohne wisschenschaftlichen Hintergrund) zu traue das auch nur im Ansatz zu verstehen.
Und falls jemand auf die Idee kommt. "Lasst uns das Netz doch einfach auf Gleichspannung umbauen oder andere Netztformen oder oder...." Vergiss es!
Du kannst nicht mal eben ganz Europa umstricken. Nicht in kurzer Zeit und nicht auf lange Sicht. Das geht nicht!
Unsere ganze Infrastruktur ist da drauf ausgelegt und alle Elektrogeräte sind da drauf ausgelegt.
EDIT:
Weil gerade von
@NY152 gelesen.
Ich kenne mich auf dem Gebiet, also der Einfluss von Hoch- und Höchstspannung auf den menschlichen Körper nicht aus.
Kann dazu also nix sagen. Ich hab aber viele Kollegen, die seit Jahrzehnten in Kraftwerken arbeiten.
Das einzige was man da beachten muss ist, dass man keinen Herzschrittmacher oder künstliche Hüften hat.
Ich denke aber, das kosmische und natürliche Strahlung mehr Einfluss haben.
Die Natur scheint sich an Hochspannung auch nicht zu stören.
Kurze Anekdote aus Bayern.
Hier war eine 100 kV Verbindungstrasse geplant. Die grünen haben geklagt, weil unter der geplanten Trasse Vögel genistet haben.
Dann hat man für viel Geld die Planung geändert und die Trasse mehrere Meter (genaue Zahl weiß ich nicht) verschoben.
Das Ende vom Lied war, dass die Vögel umgezogen sind und unter die Trasse, weil sie da vor Raubvögeln geschützt sind...